Claudia Dürr, Wolfgang Straub
Digitale Editionen von Gegenwartsliteratur stehen aufgrund urheberrechtlicher Restriktionen vor spezifischen Herausforderungen. Die Werkausgabe des österreichischen Schriftstellers Werner Kofler (1947–2011) setzt daher auf die Vorteile einer Hybridedition: Die gesammelte Prosa ist vollständig kommentiert Ende 2018 in drei Bänden zu insgesamt 1700 Seiten erschienen (FWF-Projekt Kommentierte Werkausgabe Werner Kofler: Prosa, 2015–18). Die seit Anfang 2019 online verfügbare Website http://www.wernerkofler.at bietet den umfangreichen Kommentar auch digital an. Der Stellenkommentar umfasst 3100 Einträge, die durch Primärtextzitate ergänzt werden, und ist nach Kategorien durchsuchbar, mittels derer Koflers Denkräume erschlossen werden können (z. B. Politikerinnen und Politiker, Philosophen, Literaturzitate). Der Onlinekommentar bietet darüber hinaus die Möglichkeit, die schriftlichen Einträge mit Fotos und Faksimiles von Archivmaterial aus dem Kärntner Literaturarchiv, wo der Nachlass Koflers aufbewahrt wird, zu ergänzen.
Das 2018 bis 2021 laufende Projekt Kofler intermedial erarbeitet in einem ersten Schritt Stellenkommentare zu den dramatischen Texten, zur Lyrik und zu versprengter Prosa Koflers und wird zu Projektende wieder als Hybridedition veröffentlicht. Zugleich wird im Projekt mit neuen Wegen der Hörspieledition und der Weiterverarbeitung der Kommentardaten experimentiert. Dazu werden mehrere Radioarbeiten Koflers auf der Website zugänglich gemacht, eine Novität, bedenkt man die zugrundeliegende rechtliche Situation. Die Edition von Hörspielen hat weder in der etablierten Editionspraxis noch in der Digitalen Edition eine nennenswerte Vorgeschichte, sodass das laufende Projekt die Gelegenheit bietet, theoretisch, methodisch und praktisch Neuland zu betreten. Im Zentrum steht dabei wohl die Präsentation der primären und sekundären Daten und ihre Zugänglichmachung für ein Fachpublikum. Da im Zuge der beiden Projekte Werner Koflers Gesamtwerk sowie auch die Kommentare elektronisch aufgearbeitet werden, kann eine Forschungsplattform zur Ergründung intermedialer Phänomene etabliert werden. Das Werk Koflers ist prädestiniert wie wenige für einen solchen Zugang, da die Grenzen zwischen Text und audiovisuellen Arbeiten fließen. Das Projekt wird Ausschnitte aus den dramatischen Arbeiten direkt mit den jeweiligen Textpassagen der Prosawerke verknüpfen und Transformationen sicht- und hörbar machen.
Ziel des Projekts ist es, über die fachwissenschaftlichen Fragestellungen hinaus anhand eines konkreten Text- und Medienkorpus die Möglichkeiten der Zusammenarbeit von Philologie und Digital Humanities abseits ‘herkömmlicher’ (mit urheberrechtsfreien Textkorpora arbeitender) digitaler Editionen auszuloten und geeignete Instrumentarien der Analyse und der Präsentation visueller und auditiver Inhalte zu entwickeln.