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FRBR - Functional Requirements for Bibliographic Records TEI Download PDF Download

Jurst-Görlach, Denise; jurst-goerlach@em.uni-frankfurt.de

Die Functional Requirements for Bibliographic Records (FRBR, sprich: /fɜːrbər/) sind ein konzeptuelles Modell zur Erfassung von bibliographischen Datensätzen, das seit den 1990er Jahren von der International Federation of Library Associations and Institutions (IFLA) entwickelt wurde. Es bildet heute die Grundlage bibliothekarischer Regelwerke wie der RDA (Resource Description and Access), das seit 2015 auch von der Deutschen Nationalbibliothek genutzt wird. Obwohl das Modell ursprünglich für die Katalogisierung in Bibliotheken entwickelt wurde, bietet es auch bei der Erstellung und Benutzung wissenschaftlicher Editionen zahlreiche Vorteile. Denn bei Editionen großer Korpora, in denen Entstehungs- und/oder Publikationsprozesse thematisiert werden, gelangt die Verzeichnung von referenzierten Werken in einem ‚klassischen‘ Literaturverzeichnis häufig an ihre Grenzen. Sollen Zusammenhänge etwa zwischen verschiedenen Überarbeitungsstufen, Übersetzungen oder medialen Repräsentationen eines Werkes in der Edition nachvollziehbar bleiben, kann das FRBR-Modell hilfreich sein.

Das Modell nutzt die Prinzipien des Entity-Relationship-Modells, es definiert also einzelne Entitäten und deren Beziehungen und teilt diese zunächst in drei Gruppen: Gruppe 1 umfasst Produkte intellektueller bzw. künstlerischer Anstrengungen, Gruppe 2 die daran beteiligten Akteure und Gruppe 3 die enthaltenen Themen.


                       Abb. 1: FRBR-Entitäten nach Gruppen (CC0)

Abb. 1: FRBR-Entitäten nach Gruppen (CC0)

Für die differenzierte Erfassung von Werkreferenzen in wissenschaftlichen Editionen besonders relevant ist Gruppe 1 mit ihren Entitäten Werk, Expression, Manifestation und Exemplar. Das Werk meint hier eine individuelle intellektuelle bzw. künstlerische Schöpfung als abstrakte Entität. Das Werk selbst existiert nur insofern, als die verschiedenen Expressionen des Werkes einen gemeinsamen Inhalt haben. Wird ein Werk in Form von Buchstaben, Zahlen, Bildern usw. intellektuell oder künstlerisch realisiert, entsteht eine Expression. Sie ist die spezifische Form, die ein Werk jedes Mal annimmt, wenn es realisiert wird. Auch sie ist eine abstrakte Entität und verfügt über keine Aspekte der physischen Form. Eine neue Expression entsteht typischerweise bei Veränderung der Form (z. B. von einer textlichen Darstellung zum gesprochenen Wort), Übersetzung in eine andere Sprache sowie Bearbeitung oder Modifikation, die über geringfügige Veränderungen (Schreibweisen, Zeichensetzung etc.) hinausgeht. Die Manifestation schließlich bildet die physische Verkörperung einer Expression eines Werkes. Gemeint sind hier alle physischen Objekte, die sowohl im Hinblick auf den intellektuellen Inhalt als auch auf die physische Form dieselben Eigenschaften haben (z. B. eine bestimmte Ausgabe eines Buchs; ein Abdruck eines Aufsatzes in einer Zeitschrift; ein Typoskript und seine Fotokopien, eine Version einer Website). Als letzte Entität in dieser Gruppe existiert das Exemplar als einzelnes Stück einer Manifestation. Sein intellektueller Inhalt und die physische Form gleichen in der Regel der Manifestation, bestehende Unterschiede zwischen den Exemplaren sind unabhängig von der Absicht des Herstellers (z. B. Schädigung nach der Produktion; vom Autor signiertes oder vom Besitzer annotiertes Exemplar; Bibliotheksexemplar mit bestimmter Signatur und Stempeln etc.). Zusätzlich zu dieser de facto hierarchischen Gliederung können zwischen den Entitäten der Gruppe 1 weitere Beziehungen bestehen, die sich etwa auf Teil-Ganzes-Verhältnisse, Nachfolger, Überarbeitungen, Übersetzungen, Adaptionen oder Beilagen beziehen. Außerdem stehen diese Produkte in Beziehung zu den je an ihnen beteiligten Akteuren – also Personen oder Körperschaften, die am Inhalt, der Herstellung oder Verbreitung der Produkte beteiligt sind (Autoren, Künstler, Übersetzer, Verlage, Drucker etc.) – sowie zu einer Reihe von Entitäten, die mögliche zusätzliche Themen der Produkte bilden (Begriff, Gegenstand, Ereignis, Ort).

Während die konzeptionellen Vorteile des Datenmodells für die Nutzerinnen und Nutzer auf der Hand liegen, gibt es für die Erfassung der erforderlichen Daten in Editionsprojekten bislang keine Standardlösung. Die für Digitale Editionen von Texten häufig genutzten Richtlinien der TEI sehen keine Unterscheidung analog zu den FRBR-Ebenen vor, auch wenn es in den vergangenen Jahren immer wieder Anregungen und Vorschläge dazu aus der Community gab. Diskutiert werden im Wesentlichen drei Modelle, die mit den Guidelines (TEI: Guidelines) kompatibel sind: (1) die Verwendung des Elements <relation> mit einer an RDF angelehnten triple-artigen Struktur (@active@name / @ref@passive), (2) die Verschachtelung und Typisierung mehrerer <bibl>-Elemente, sowie (3) der Verweis über das Element <relatedItem> innerhalb von <bibl>. Diese können je nach Material und Fragestellung einzelner Projekte für individuelle Lösungen verwendet werden.

Wie eine Kombination der genannten Möglichkeiten für die Codierung in XML fruchtbar und verbindlich gemacht werden kann, zeigt die Music Encoding Initiative (MEI). Sie integriert das FRBR-Modell ausdrücklich in ihre Guidelines (MEI 3.5 Functional Requirements for Bibliographic Records (FRBR)) und setzt die vier Entitäten der Gruppe 1 konsequent in den Elementen <work>, <expression>, <manifestation> und <item> um. Auch die in FRBR definierten Beziehungen zwischen Entitäten finden sich im Attribut <rel> des Elements <relation> wieder.

Weitere Anknüpfungspunkte gibt es auch zu anderen häufig genutzten Datenmodellen: Seit 2005 existiert eine von Richard Newman und Ian Davis entwickelte RDF-Ontologie des FRBR-Modells, die die zentralen Entitäten und ihre Beziehungen beschreibt. Zudem entstehen aus der gegenseitigen Anpassung der FRBR und des CIDOC-CRM die Ontologien FRBRoo (FRBR-object oriented) sowie ­– speziell zur Erfassung von Periodika – PRESSoo.

Literatur:

Zitiervorschlag:

Jurst-Görlach, Denise 2024. FRBR - Functional Requirements for Bibliographic Records. In: KONDE Weißbuch. Hrsg. v. Selina Galka und Helmut W. Klug unter Mitarbeit von Susanne Höfer im Projekt "Enlarging 'Weißbuch Digitale Edition'". Aufgerufen am: . Handle: hdl.handle.net/11471/562.50.289. PID: o:konde.249

Metadata:

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