Färberböck, Peter; peter.faerberboeck@plus.ac.at /Nieser, Florian; florian.nieser@uni-heidelberg.de
Für die Analyse digitaler Spiele als Quelle sind Spielmechaniken ein zentraler Bestandteil, da sie ein Kernelement der Interaktion mit dem Medium darstellen und aus ludologischer Perspektive nicht zwingend losgelöst von narrativen Elementen, aber durchaus als autonomes Auszeichnungsmerkmal digitaler Spiele betrachtet werden. Es gibt eine Vielzahl an unterschiedlichen Perspektiven auf das Phänomen, die bereits bei den Kommunikationsformen über Spielmechaniken beginnt und sich von einer formalen Analyse bis hin zur Gamification erstreckt. Damit ist auch hier bereits markiert, dass es nicht um ein Scharfstellen eines Begriffs der Spielmechanik geht, sondern um ein Festlegen der Grenzen zur Beschreibung von Spielmechaniken.
Grundsätzlich wird mithilfe von Spielmechanik die Art und Weise der Interaktionsmöglichkeiten von Spielenden mit der digitalen Erzählwelt verstanden – genauer noch geht es ursprünglich um eine per physischer Interaktionsstelle verursachte Einwirkung auf eine virtuelle Umgebung und deren intendierte Veränderung bspw. zur Aufrechterhaltung des Spielgeschehens oder zum Fortschreiten des Geschehens. Eine Repräsentation in der Hardware – wie das der Begriff Mechanik an sich nahelegen würde – ist damit jedoch nicht gemeint, sondern mit dem Blick ins Digitale könnten darunter vielmehr ‘Spielregeln’ und Wirkungsmechanismen von Eingabebefehlen verstanden werden. Dabei folgen Eingabeschemata und deren Auswirkungen auf die Spielumgebung grundsätzlich algorithmischen Regeln, in deren Grenzen jedoch die Freiheit zum Austesten der Limitierungen möglich ist.
Das Zusammendenken von Interaktion und regelbasierter Reaktion kann als Basis von Spielmechaniken begriffen werden: „Game mechanics are methods invoked by agents, designed for interaction with the game state“ (Sicart, 2008). Dabei ist es auch möglich, dass nicht-menschliche Akteure in Form von KI-gesteuerten Charakteren innerhalb der Spielwelt mit gewissen Mechaniken interagieren oder selbst eine Spielmechanik darstellen können – der Bezug zu den Spielenden ist jedoch dadurch weiter gegeben, dass die Konsequenzen der jeweiligen Interaktion einen Rückbezug zur Spielschleife (game-loop) der Spielenden haben. “KI” bedeutet hier, dass vom Computer gesteuerte Figuren festgeschriebenen Regeln folgen, die rudimentäre bis “intelligent” wirkende Reaktionen ermöglichen. Die Game-Loop oder die programmierte Ereignisschleife, die bis zum Beenden des Spiels läuft und die Eingaben der Spieler und Spielerinnen interpretiert, [...?] ,um die Spielwelt und die Zustände dieser entsprechend zu ändern. (Nystrom 2014)
Dabei erfüllen solche Mechaniken mit Blick auf die Rezeption nicht nur die grundlegende Interaktionsmöglichkeit mit der Spielwelt, sondern können ebenso Ausdruck der Selbstreflexivität des Mediums sowie der künstlichen Interaktion mit der virtuellen Umgebung in Form der Kontrollverweigerung für die Spielenden sein. Sie können ebenso ein Katalysator für immersive Mechanismen sein wie ein harter Bruch mit der vierten Wand der medialen Inszenierung.
Da Interaktion eine reziproke Handlung darstellt, wirken Spielmechaniken auf die Rezipierenden zurück, wobei hier über den Prozeduralismus – der Prozesse anhand von Prozessen eindimensional von der Entwicklung her denkt – hinaus von einer Procedural Literacy ausgegangen wird, die die präsentierten Mechaniken auch ausdeutet. Dabei können intendierte Mechanismen zwar rhetorisch normiert kommuniziert werden, deren Interpretation steht jedoch nicht mehr unter der Kontrolle des Game Designs. Spielmechaniken transportieren mit dem Regel- und Kommunikationsset der jeweiligen virtuellen Umgebung grundsätzlich auch deren Sinnhaftigkeit mit sich, aber erst in der tatsächlich realisierten Interaktion erfolgt Sinnstiftung. Diese Prozesse reziproken Aushandelns von Sinnhaftigkeit und der Bedingung zur Konstruktion fiktionaler Welten über algorithmische Regelhaftigkeit beschreiben das Begriffsfeld der Spielmechanik.
Literatur:
- Bojahr, Philipp; Herte, Michelle. 2018. Spielmechanik. In: Game Studies. Film, Fernsehen, Neue Medien. Hrsg. von Benjamin Beil, Thomas Hensel und Andreas Rauscher. Wiesbaden, S. 235-249.
- Pfister, Eugen; Winnerling, Tobias. 2020. Digitale Spiele. Version: 1.0. URL: https://zeitgeschichte-digital.de/doks/1718.
- Nystrom, Robert. 2014. Game Loop. In: Game Programming Patterns. unknown, S. 123-138.
- Sicart, Miguel. 2008. Defining Game Mechanics. In: Game Studies 8.