Digitale Edition

Weißbuch

Digitale Spiele TEI Download PDF Download

Färberböck, Peter; peter.faerberboeck@plus.ac.at /Nieser, Florian; florian.nieser@uni-heidelberg.de

Digitale Spiele (auch synonym als “Videospiele”, “Computerspiele”, “elektronische Spiele” oder “Bildschirmspiele” bezeichnet, auch wenn die Begriffe technisch nicht deckungsgleich sind) sind Spiele, die mit elektronischen Hilfsmitteln bzw. allgemeiner Peripherie wie Maus, Tastatur, aber auch spezialisierte Peripherie wie Controller/Gamepads mit Bewegungssensoren gesteuert werden und visuell auf Bildschirmen und meistens auch auditiv mittels akustischen Ausgabegeräten Feedback an die Spielerinnen und Spieler zurückgeben, auf das diese wieder mittels Eingaben in den oben erwähnten Geräten reagieren. So entsteht ein Hin und Her zwischen digitalem Spiel und Spielende - eine Interaktion. Man kann digitale Spiele als integralen Teil der “Digitalen Revolution” (Pfister, Winnerling 2020) sehen, da sie Geschichtsbilder tragen, wirtschaftliche und kulturelle Artefakte beinhalten sowie selbst genau solche (in digitaler Form) sind: Das macht sie auch zu einer digitalen Quelle für die Geisteswissenschaften. Insofern ist die Beobachtung herauszuheben, dass digitale Spiele als Quelle akzeptiert sind, aber kein einheitlicher Umgang und kaum Strategien zur Langzeitarchivierung existieren, die über Auflistungen von Spielen mit wenigen Metadaten oder gar eine groß angelegte Literacy-Initiative hinausgehen. Digitale Spiele können (Stand 2023) von Nicht-Spielenden nicht vollständig erforscht werden – selbst Digitale Editionen von digitalen Spielen oder umfassendere Konzeptentwürfe dazu fehlen bislang.

Durch ihre Interaktivität gestalten Spielerinnen und Spieler und Designerinnen und Designer der Spiele mit, wie Spiele gespielt und wahrgenommen werden. Werte und Tabus werden dabei ausgehandelt sowie tagespolitische Themen ausagiert und diskutiert (Fromme, Biermann 2009). Es finden sich somit auch Diskursfragmente in digitalen Spielen wieder, mit denen “gespielt” wird. Wenn man Definitionen sucht, findet sich eine Vielzahl an Versuchen, die auch oft strategisch oder subjektiv gefärbt sind: Unterhaltungssoftware, Kunst, Erzählungen, kommerzielle und kulturelle Artefakte, Produkte der Computerwissenschaften oder eine weitere Mediengattung. Selbst der Anfang des Phänomens ist schwer zu definieren. Man kann mit Automaten aus dem 19. Jahrhundert beginnen, mit den ersten Videospielen der Universitäten in den 1950ern oder mit dem Anfang der Videospiele in Spielhallen in den 1970ern (Pfister, Winnerling 2020). Der Begriff “digitales Spiel” konzentriert sich deswegen auf die Gemeinsamkeit, dass eine Software oder zumindest ein elektronischer Schaltkreis nötig ist, um diese Spiele spielen zu können.

Ähnlich wie in der Literatur gibt es unterschiedliche Genres, die aber – entgegen der Literaturwissenschaft – noch keinen Versuch vorweisen können, diese auch in möglichst genaue wissenschaftliche Kategorien einzuteilen. Genres sind nach aktuellem Stand Begriffe der PR-Abteilungen, die je nach Verkaufsabsicht vergeben werden. Wie sich Spiele spielen, definiert sich deswegen oft über ihre Spielmechaniken, die Art der Erzählung oder wie viele Spielerinnen und Spieler ein Spiel spielen können (was man auch als Teil der Spielmechaniken ansehen kann). Erzählungen sind entgegen anderer Medien immer nicht-linear, denn auch wenn sie in einem möglichen Spielverlauf einen linearen Erzählstrang haben, ist zumindest der Erzählfortschritt von der Interaktion der Spielenden abhängig; zudem können sich Erzählzweige je nach Spielverlauf und Perspektive auch deutlich voneinander unterscheiden oder gar der Spielmechanik untergeordnet bleiben.

Im Zentrum des Spiels steht, wie erwähnt, die Interaktion, d. h. das Mitgestalten des Erlebnisses. Genau das macht den Umgang mit dem Medium als Quelle schwierig, denn sich auf einzelne Teile zu beschränken – z. B. nur die Erzählung, die audiovisuelle ästhetische Erfahrung oder nur die Eingabemöglichkeiten –, vernachlässigt andere Teile des Spiels, die zusammenhängend auf Spielerinnen und Spieler wirken. Dabei ist die nicht immer einfache Zugänglichkeit von digitalen Spielen ein Hindernis für die Forschung, das noch angegangen werden muss. Hier sind Emulationen nötig, um Spiele auch in Zukunft spielbar zu machen, denn ältere Hardware ist entweder nicht zugänglich oder nur mit immensem Aufwand wartbar.

Ebenso braucht es Videoaufzeichnungen, Transkriptionen von digitalen Spielen und eine Form der kritischen Edition, um die bloße Menge an Daten und Spielen zumindest halb-automatisiert verarbeiten und analysieren zu können. Die Grundstrukturen für systematische Forschung, wie eine Zitierbarkeit, sind somit erst in Entwicklung.

Literatur:

  • Fromme, Johannes; Biermann, Ralf. 2009. Identitätsbildung und politische Sozialisation.. In: Wie wir spielen, was wir werden. Computerspiele in unserer Gesellschaft . Hrsg. von Tobias Bevc und Holger Zapf. Konstanz, S. 113-138.
  • Pfister, Eugen; Winnerling, Tobias. 2020. Digitale Spiele. Version: 1.0. URL: https://zeitgeschichte-digital.de/doks/1718.

Zitiervorschlag:

Färberböck, Peter; Nieser, Florian 2021. Digitale Spiele. In: KONDE Weißbuch. Hrsg. v. Helmut W. Klug unter Mitarbeit von Selina Galka und Elisabeth Steiner im HRSM Projekt "Kompetenznetzwerk Digitale Edition". Aufgerufen am: . Handle: hdl.handle.net/11471/562.50.284. PID: o:konde.244

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