Neuber, Frederike; frederike.neuber@bbaw.de
Typografie bezeichnet die Gestaltung eines Druckerzeugnisses (z. B. Seitengestaltung, Layout, Schrift) sowie die technisch-materiellen Herstellungsverfahren des Druckes. (Wehde 2000, S. 3f.) In der angewandten Typografie und im Sprachgebrauch differenziert man typografische Gestaltungsressourcen auf zwei Ebenen: (Forssman/Wilberg 2001, S. 9f.)
- Mikrotypografie, auch Detailtypografie: Schriftgestaltung und Schriftsatz
- Makrotypografie: Buch- und Seitengestaltung
Ein daran anschließendes und weiter differenzierendes, kommunikationsanalytisch geprägtes Schema baut auf vier Gestaltungsdimensionen auf: (Stöckl 2004, S. 22f.)
- Mikrotypografie: Design und Wahl der Schriften
- Mesotypografie: Gebrauch der Schriftzeichen in der Zeile
- Makrotypografie: Anordnen von Textkörpern und graphischen Elementen
- Paratypografie: Material und Praktik des Druckes
Der editorische Umgang mit der Typografie gedruckter Quellen ist stark kulturell geprägt. Im deutschsprachigen Raum spricht die Literaturwissenschaft Typografie zwar semantisches Potential zu (Nehrlich 2016; Veitenheimer 2016), gleichzeitig gibt es in der Editionsphilologie aber keine konventionalisierten Verfahren zur Erschließung druckspezifischer Phänomene wie Layout, Satz und Schrift. Gerade in jüngerer Zeit kann man hier jedoch einen Wandel beobachten, beispielsweise durch Annika Rockenbergers und Per Röckens Vorschlag einer systematischen Beschreibung barocker Drucke oder die von Frederike Neuber vorgelegte digitale Schriftontologie zur Erschließung der Mikrotypografie in Stefan Georges Werk. (Rockenberger/Röcken 2009; Neuber 2017)
Im Gegensatz zur deutschsprachigen blickt die angelsächsische Editionswissenschaft auf eine lange Methodentradition bei der Erschließung von Druckerzeugnissen zurück. So ist das editorische Wissen und das Erschließen der typografischen Eigenschaften einer Quelle die Basis für das Copy-Text-Verfahren (Greg 1950), in dem bibliographische Analysen beispielsweise zur Stemmata-Erstellung durchgeführt werden. Entstehungskontext des Verfahrens ist die Critical Bibliography, ein methodischer Zusammenschluss von Buchkunde und Literaturwissenschaft.
Literatur:
- Forssman, Friedrich; Willberg, Hans-Peter. 2001. Erste Hilfe in Typografie. Ratgeber für den Umgang mit Schrift. Mainz.
- Greg, W W. 1950. The Rationale of Copy-Text. In: Studies in Bibliography 3, S. 19–36.
- Nehrlich, Thomas. 2016. Typographie als Bedeutungsträger bei Kleist. In: Typographie & Literatur. Hrsg. von Rainer Falk und Thomas Rahn, S. 75–103.
- Neuber, Frederike. 2017. Typografie und Varianz in Stefan Georges Werk. Konzeptionelle Überlegungen zu einer ,typografiekritischen‘ Edition. In: editio 31.
- Rockenberger, Annika; Röcken, Per. 2009. Vom Offensichtlichen. Über Typographie und Edition am Beispiel barocker Drucküberlieferung (Grimmelshausens »Simplicissimus«). In: editio 23, S. 21–45.
- Stöckl, Hartmut. 2004. Typographie: Gewand und Körper des Textes. In: Zeitschrift für Angewandte Linguistik 41, S. 5–48.
- Veitenheimer, Bernhard. 2016. Synästhetik des Bedeutens. Zur Semantik der Typographie bei Johann Georg Hamann. In: Typographie & Literatur. Hrsg. von Rainer Falk und Thomas Rahn, S. 105–129.
- Wehde, Susanne. 2000. Typographische Kultur: eine zeichentheoretische und kulturgeschichtliche Studie zur Typographie und ihrer Entwicklung. Tübingen.